Die Gnade des Vergessens

Jimmy Wales ruft, und die Leser spenden, damit Wikipedia weiter wächst, Wissen schafft und Daten speichert. Sofern sie relevant sind, versteht sich.

By the way, Wikipedia-Autor und Spiegel-Mitarbeiter Kurt Jansson versteht Relevanz interessanterweise nicht als „wichtig für (irgend)jemanden“, sondern als „Hierum können und wollen wir uns kümmern“. Es kommt also darauf an, dass organisiertes Wissen operabel bleibt.

Ohnehin bleibt in digitalen Welten mehr hängen, als uns lieb ist. Suchmaschinen, Soziale Netzwerke und Provider speichern, was Nutzer in und mit ihnen treiben. Schon gieren Unternehmen, Regierungen und Straverfolger danach. „Vergiss es!“, titeln daher Rafaela von Bredow und Dietmar Hipp im Spiegel. Dabei liessen sie sich von Viktor Mayer-Schönberger inspirieren. Dieser fordert in seinem Buch „Delete: The Virtue of Forgetting in the Digital Age“ ein systematisch eingebautes Verfallsdatum.

Diese Gnade gewährt der Bundesgerichtshof den Mördern des Volksschauspielers Walter Sedlmayr nicht. Weil es nicht bezahlbar wäre, wenn Medienunternehmen ständig ihre Archive durchforsten und Daten ändern müssten, die auf andere Weise ein wertvolles öffentliches Gut sind.

Bevor wir mit der Achsel zucken, denken wir an unseren Facebook-Acccount und daran, was es Webzugangsversorger kostet, unsere IPs und unserer Klicks für sechs Monate zu speichern. Wenn schon nicht auf das Vergessen – vielleicht ist auf das Controlling Verlass. In den Verhandlungen zur Vorratsdatenspeicherung ab Dienstag möge sich das Bundesverfassungsgericht selbstverständlich auf andere Quellen der Billigkeit stützen.

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