Das Volk tanzt oder sitzt

Während einige Informationen – Nachrichten über Kreditwürdigkeiten und Börsenkurse – zu einem freien Fall des Vertrauens führen, trauen sich Bürger auf die Straße, um ein anderes Misstrauen zu artikulieren. Mindestens 50.000 Menschen demonstrierten in Berlin gegen die Vorratsdatenspeicherung und Überwachungswahn und nutzen das Motto „Freiheit statt Angst“ für eine politische Volksbewegung mit Love Parade-Elementen.

Die Angst vor der Angst ist also angekommen beim Volk, dass selbiges zum „Datenkörper“, „gläsernen Konstrukt“ und zur „Verfügungsmasse von Behörden, Versicherungen und der Gesundheitsindustrie“ verkomme, wie die Veranstalter, darunter der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und weitere Gruppen wie der „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.“ behaupten.

Doch ist es Angst, eine spezifisch deutsche gar, oder eher ein Streit um die rechten Hebel im Datenschutz? Dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) geht der Antrag Hamburgs im Bundesrat zu weit, das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) derart zu ändern, dass Bürger jeder Weitergabe ihrer Daten wie Anschrift und Alter künftig ausdrücklich zustimmen müssen, und droht Arbeitsplatz- und Umsatzverluste von 5 Milliarden Euro an.

Gut, auf auf ungewollte Direktwerbung von Drittunternehmen können wir persönlich gut verzichten. Auf die Bequemlichkeit der sofortigen Feststellung von Zahlungsbereitschaft durch Scoring-Agenturen beim Online-Shopping ebenfalls? Die Adressaten des Schutzes und Vorstellungen von Sicherheit sind leider verwirrend vielfältig.

Und nicht selten nimmt die Datenerhebung und -verwendung von Wirtschaft und Staat bedenkliche Formen an: Der Fall eines Berliner Soziologen, der aufgrund einer Google-Recherche und der Verwendung wissenschaftlicher Begriffe unter Terrorismusverdacht geriet und in Untersuchungshaft saß, nährt Zweifel an der Legitimität (und Sinnhaftigkeit) dessen, was informationstechnisch machbar ist.

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